Männerchöre sind langweilig…
…das diese Aussage so pauschal nicht stimmt zeigte unter anderem der Liederabend des FMC 03 am letzten Wochenende. Hier ein Bericht dazu:
Frankenthaler Zeitung vom 05.11.2019; Von Gereon Hoffmann
Die Lieder fetzen, der Saal rockt
Anderswo kämpfen Männergesangvereine ums Überleben oder lösen sich auf. Der 1. Frankenthaler Männerchor dagegen füllte am Wochenende das Congress-Forum (CFF) und machte Stimmung wie bei einem Rockkonzert. Der neunte Liederabend war ein Erfolg. Und eine „kulturelle Notwendigkeit“, sagen die Macher vollmundig über ihren Chor – stimmt das?
Männergesangvereine – ältere Männer, die ehrwürdige Traditionen pflegen, und deren ausgeflipptestes Lied „Gaudeamus igitur“, ein Studentenlied aus dem 19. Jahrhundert ist. Ein Klischee? So war es lange. Die Sänger waren auch mal jung, und damals war die Musik eine andere. Tradition hatte einen anderen Stellenwert. Doch dann blieb der Nachwuchs aus, die Vereine alterten und entkoppelten sich auch immer mehr vom Rest der Gesellschaft. Ihre Lieder kannte man außerhalb der Sängerszene nicht mehr. Man(n) muss den Tatsachen ins Auge sehen: Mit „Ännchen von Tharau“ alleine findet man heute kein Publikum und auch keine Sänger mehr. Selbst Leute in mittleren und fortgeschrittenen Jahren sind mit Rock und Pop aufgewachsen, kennen die alte Männerchor-Romantik nicht. Pop- und Rocksongs im Gepäck Wie schafft es nun der 1. Frankenthaler Männerchor, nicht nur die Konzerthallen voll zu machen, sondern auch ein (relativ) jüngeres Publikum anzusprechen?
Sehen wir uns das Repertoire an: Der vierte Liederabend im CFF bestand fast ausschließlich aus Pop- und Rock-Titeln, die jeder kannte. Das ist keine Original-Literatur. Aber die Arrangements sind so, dass man die Songs gut erkennt. Und oft genug sind die Chorsätze auch originell und witzig, etwa, wenn bekannte Gitarrenriffs mit „däng-däng-däng“ oder ähnlichen Silben imitiert werden. Klar ist auch, dass das kein korrekter klassischer Liedsatz ist, wenn Powerchords von Gitarren nachgesungen werden.
Quintparallelen gelten im klassischen Chorsatz sogar als Fehler. Aber wen juckt das, wenn das Lied fetzt und der ganze Saal mitrockt? Und so funktioniert es eben, wenn der 1. FMC „Born To Be Wild“ oder „I Love Rock ’n‘ Roll“ singt. Dass Chorleiter Walter Zipp gerne Stücke von Queen bringt, ist verständlich: Sie sind mit mehrstimmigem Gesang angelegt. Die Stücke sind moderne Klassiker. So gab es an diesem Liederabend ein Queen-Medley zu hören, auch mit exzellenten Solisten wie dem ungenannten Leadsänger bei „I Want To Break Free“. Das Motto, das Moderator Olli Herrmann vorstellte, hieß: „100 Prozent Chor“. Und auch da zeigte sich, dass die Sänger auf ihr Publikum hören: Es gab Liederabende mit mehr Ensemblestücken und welche mit Bandbegleitung. Und es gab Rückmeldungen, wonach die Zuhörer einen reinen Chorabend haben wollten. Da ist es nur klug, den Wunsch zu erfüllen.
Co-Dirigentin Steffi Geißler hatte die Herren ebenfalls im Griff und ließ sie bei „Only You“ auch herrlich schmachten. Das Schmachten wurde auch geübt. Das Quartett des 1. FMC, die Black Eggs, sorgten für ausgesprochen schöne Zwischenspiele, etwa bei „And so It Goes“ von Billy Joel. Zum Spaß beigetragen hat am Wochenende auch der gut abgemischte Sound: Alle Sänger hatten ein Kopfmikrofon. Das machte enorm viel aus, denn die Sänger konnten ganz unangestrengt singen, und die tiefsten Tiefen der Bässe kamen trotzdem satt und kräftig bei den Zuhörern an. Der Mensch am Mischpult brachte auch die Solisten gut zur Geltung.
Harmonie bei Chor und Publikum Gäste waren die Sänger der Liedertafel 1846 aus dem benachbarten Weisenheim am Sand unter der Leitung von Karla Kronenberger. Und auch in diesem Chorensemble war das Repertoire moderner geworden: „Skandal im Sperrbezirk“ und „Fürstenfeld“ kamen sehr gut an beim Publikum. Es sang mit Begeisterung spontan mit. Dass die Sängerfreundschaft zwischen Frankenthal und Weisenheim am Sand funktioniert, zeigten die beiden Chöre auch bei gemeinsamen Stücken.Am Ende zog sich Walter Zipp die Lederkutte an, Willi Brausch als Leadsänger gab Vollgas auf dem „Highway To Hell“ und der Saal kochte. Beim folgenden „You Never Walk Alone“ bekam man Gänsehaut. Am Ende sangen Weisenheimer und Frankenthaler das Pfalzlied zusammen, die Harmonie zwischen Chören und Publikum war mit Händen zu greifen.
Ist der 1. FMC eine kulturelle Notwendigkeit? Unbedingt!
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