Herbstkonzert 2017

Herbstkonzert 2017

16 erheben noch die Stimme

Von Lukas Kissel; Wormser Zeitung 10.10.2017

HERBSTKONZERT Männerchor Harmonie in Westhofen schrumpft / Vorsitzender Nagel: „Weniger geht nicht“

WESTHOFEN – Das Herbstkonzert des Gesangvereins „Harmonie“ in Westhofen begann mit einigen pessimistischen Tönen. Die Gesangvereine unterlägen einem stetigen Wandel, sagte der Vorsitzende Hans-Günther Nagel, und für die Chöre werde es zukünftig nicht leichter. „Auf der Bühne steht heute, was von unserem Männerchor übrig ist“, sagte er ganz unverblümt.

Übrig sind mittlerweile noch 16 Männer, „und das ist unser Minimum, weniger geht nicht“, erklärte Nagel in der Pause. Als er mit dem Singen angefangen habe, damals im Jahr 2005, seien es noch über 30 gewesen – also etwa doppelt so viele. Viele gingen altersbedingt weg, aber Nachwuchs komme nur wenig nach. „Der klassische Männerchor ist nichts, was junge Leute anspricht“, weiß der Vorsitzende. Ein Chor über alle Altersklassen hinweg sei schwierig: Die Älteren akzeptierten das moderne Liedgut oft nicht, die Jüngeren wollten nicht nur alte Kamellen singen. Der Männerchor in Westhofen jedenfalls habe sich entschieden, sich für die Zukunft mit einem eher moderneren Repertoire auszurichten, erklärte er. Modern bedeutet in diesem Fall nicht unbedingt topaktuell, aber zumindest heiter und beschwingt: Lieder wie „Ein kleiner, grüner Kaktus“ oder „Ein Freund, ein guter Freund“ bezogen sich auf die Unterhaltungsära der 20er und 30er-Jahre und wandelten auf den Spuren der Comedian Harmonists. „Küssen kann man nicht alleine („… denn dafür braucht man einen andern Mund“), bekannt von Max Raabe, kam ähnlich humoristisch daher. Dirigent Hermann Jehl begleitete die Sänger auf dem Klavier.

Bei seinem Herbstkonzert in der Karl-Eschenfelder-Turnhalle stellte der Gesangverein „Harmonie“ Westhofen unter der Leitung von Hermann Jehl (am Klavier) sein ganzes Können unter Beweis. Zu Gast war der Ü60-Konzertchor Worms-Wonnegau. Foto: photoagenten/Andreas Stumpf

Nach dem Auftritt der Westhofener übernahmen die Sänger des Ü 60-Konzertchors die Bühne. Das hatte den Grund, dass der Männerchor der „Harmonie“ kein eigenes Konzert mehr auf die Beine stellen könne, wie Hans-Günther Nagel anfangs erklärt hatte. Für die Zuhörer hatte das den angenehmen Nebeneffekt, dass das Konzert etwas abwechslungsreicher war, denn die beiden Chöre ergänzten sich perfekt. Während der Gesangverein „Harmonie“ für die lockere Unterhaltungsmusik zuständig war, war das Repertoire des Ü 60-Konzertchors Worms-Wonnegau ernsthaftere Kost.

Lieder nur in deutscher Sprache

Der Männerchor besteht seit mittlerweile neun Jahren, nicht als Zusammenschluss mehrerer Vereine, sondern als unabhängiger Chor mit Sängern aus vielen verschiedenen Vereinen in ganz Rheinhessen. „Mein Gedanke war damals, dass immer mehr englischsprachige Lieder gesungen wurden“, erklärte Hans-Philipp Schwöbel, der Ideengeber und Dirigent des Chors. Ältere wollten aber nicht auf Englisch singen, meinte er, weil sie das Gefühl des Liedes nicht richtig ausdrücken könnten, wenn sie den Text nicht verstehen. Also hatte er damals den Aufruf für einen neuen Chor gestartet, der komplett in deutscher Sprache singen sollte. In der ersten Probe seien es etwa 50 Mann gewesen, erzählte er, „heute sind wir über 85.“ Das Durchschnittsalter liegt bei 74 Jahren.

Die Bühne der Karl-Eschenfelder-Turnhalle war also ausgefüllt. Den Mehrwert ihres XXL-Chors stellten die Sänger sogleich unter Beweis: Wenn alle 85 Männer zusammen singen, verfügt dieser Chor über ein beeindruckendes Volumen und strotzt geradezu vor Kraft. Nach jedem der Stücke, die zum Ende meist auf ein wahrlich pompöses und gewaltiges Finale hinausliefen, brandete Applaus auf. Das Konzert zeigte, dass altes Liedgut – in seiner Zielgruppe – immer noch begeistern kann.