175 Jahre pure Sängerfreude
Beitrag zu unserem Jubiläumsjahr aus der Wormser Zeitung vom 25. Februar 2020
von Elena Emmy Weis
WESTHOFEN: Allgemein klagen Vereine über die abnehmende Bereitschaft der Mitglieder sich über normale Aktivitäten hinaus zu engagieren oder überhaupt fest einzutreten.
Nicht so in Westhofen. Dort stemmen die rund 80 Aktiven im Rahmen des Jubiläumsjahres ihres Gesangvereins „Harmonie“ eine ganze Reihe zusätzlicher Veranstaltungen – und zwar jeden Monat eine.
Grund zur Freude bietet das 175-jährige Bestehen, das keineswegs nur intern, sondern vor allem mit der ganzen Gemeinde gefeiert werden soll.
Das erste Event fand bereits statt. „Wir wollen Präsenz zeigen im Dorf und mit den Menschen ins Gespräch kommen“, verkündete der Vorsitzende Hans Günther Nagel im Gespräch mit dieser Zeitung, „und die Glühweinwanderung war erst der Anfang“. Nagel zeigte sich begeistert von der problemlosen Suche nach freiwilligen Sängerinnen und Sängern, die sich an Aufbau und Bewirtung der Essens- und Getränkestände beteiligt hatten und blickt zuversichtlich auf die anstehenden Monate.
Am Samstag, 29. Februar, bietet der Verein in Kooperation mit der Destillerie Deheck ein Gin-Tasting an, dessen Vorverkauf ebenfalls guten Anklang gefunden hat. Im März soll dann der offizielle Festakt in der Karl-Eschenfelder-Turnhalle zelebriert werden. Neben Grußworten aus der Politik und Tanzeinlagen stehen dabei die ersten Auftritte der beiden Chöre an: dem klassischen Gründungs- und Männerchor, sowie dem gemischten Chor „sing@harmony“.
Ganz in Sinne der Feiertage steht am Sonntag, 12. April, eine Ostereiersuche für Familien im Park an, bevor schließlich am Sonntag, 3. Mai, das große Jubiläumskonzert in der evangelischen Kirche stattfindet. „Dafür proben wir schon fleißig“, erklärte Vorsitzender Nagel und zählte eine ganze Reihe von Liedern quer durch mehrere Jahrzehnte auf, darunter sogar aktuell erfolgreiche Stücke wie „Photograph“ von Ed Sheeran. „sodass wirklich für jeden etwas dabei sein sollte“.
Nach dem Traubenblütenfest und dem Festival der Künste, die der Verein ebenfalls unterstützt, folgen zwei weitere Highlights, nämlich ein „Diner en Blanc“ am Samstag, 12.September, sowie eine SWR1 Night-Fever-Party am Freitag, 2. Oktober. Auch für das Adventskonzert am 1. Dezember üben die Chöre schon jetzt die Weihnachtslieder. Hinzu kommen die alljährlichen Auftritte an Fastnacht, beim Turnverein, am ,Volkstrauertag oder der Stand am Weihnachtsmarkt.
So viel Organisation ist nur gemeinsam in einer Gruppe zu schaffen, die vor gut einem Jahr schon mit der Ideensammlung begonnen hatte und sich seither regelmäßig trifft.
Doch auch abseits der Planungen haben sich im Laufe der Zeit Freundschaften zwischen den Sängern gebildet. Gerade diese Gemeinschaft und das zwanglose Singen ohne Leistungsdruck locken nicht nur Aktive aus Wormser Stadtteilen oder sogar Lampertheim zur Probe in den Wonnegau, sondern überzeugten 2016 auch Familie Kleinhanß, Teil von „sing@harmony“ zu werden.
Mit seinem Ausspruch „Singen macht Spaß“ wirke Dirigent Eckhard Schwöbel gleich zu Beginn jeder Probe allzu ernsten Mienen entgegen. Genauso sieht das der Vorsitzende: „Er schafft es einfach, die Leute zu begeistern.“ Darin vermutet er einen Großteil des Zuspruchs des modernen Chors, der 2011 nach dreijähriger Abstinenz des reinen Frauenchors entstanden ist und mittlerweile über 50 Aktive zählt.
Die 19-jährige Sonja Kleinhanß ist die Jüngste – bei einer Altersspanne von über vier Jahrzehnten in der Gruppe. Sie wünscht sich mehr Interesse von Gleichaltrigen, versteht aber auch, „dass man in meinem Alter keine moderne Musik in Chören erwartet und sich während des Berufseinstiegs nicht binden möchte“.
„Dabei würden wir uns ebenso über gelegentliche Unterstützung von Musikern, beispielsweise Klavierspielern freuen, die unseren Dirigenten in seiner Doppelrolle während der Konzerte entlasten“, betont ihre Mutter Petra Kleinhanß.
Drastischer sieht das Nachwuchsproblem allerdings im Männerchor aus, der derzeit unter der Leitung von Hermann Jehl steht. „Man muss mit der Zeit gehen, sonst geht man mit der Zeit“, sagte Nagel im Vergleich zur hohen Stellung des Chorgesangs in den USA und wollte keine Garantie für die Existenz des Chors über die nächsten zwei, drei Jahre hinaus geben. Ein Chorzusammenschluss, wie jener der Altrhein-Sänger gleiche bloß einer Lebensverlängerung und packe das Problem nicht bei der Wurzel.
Ehrenmitglied Friedrich Brodhäcker war selbst stolze 65 Jahre aktiv und erinnert sich an die Zeit, als er Mitte der 1960er Jahre eigenhändig Mitglieder warb, die zuvor durch unverhältnismäßigen Leistungsdruck aus dem Verein geschmissen worden waren. Deshalb bedauert er besonders, dass die Sängerzahl in „seinem“ Chor sinkt. „Damals war der Vereinsbeitritt Voraussetzung, um auf den alljährlichen Ball gehen zu dürfen“, erinnert er sich.Neben zahlreichen Vereinslokal- und Sängerheimwechseln, erfolgreichen Wettbewerbssingen und Reisen ins entfernte Nikolausdorf zu einem befreundeten Chor blickt er bereits auf mehrere Jubiläumsveranstaltungen zurück. „Solch eine Anzahl an Events wie 2020 habe ich aber noch nie erlebt“, erzählt Brodhäcker.
Mit Sicherheit wird auch sein Gesicht unter den Zuschauern bei der ein oder anderen Veranstaltung zu sehen sein.